März 17, 2017
Hierarchiearme oder gar hierarchiefreie Organisationen scheinen in den letzten Jahren der „neue Schrei“ geworden zu sein. Wer etwas auf sich und sein Unternehmen hält, folgt diesem Trend – oder auch nicht. Unter dem Schlagwort „Selbstorganisation“ hört und liest man immer häufiger von Organisationen, die neue Wege hinsichtlich der inneren Struktur gehen, die sich in Kreisen oder Netzen aufstellen und MitarbeiterInnen weitaus stärker mitbestimmen lassen als in der Vergangenheit.
Auch im Rahmen unserer Wiener Leadership-Veranstaltungen widmen wir uns immer wieder diesem Thema, so zum Beispiel bei unserer Wiener Leadership Night am 31. Mai 2017 im Looshaus in Wien 1.
Dazu hatten wir jemand eingeladen, der dem „Mythos Selbstorganisation“ im Rahmen seiner Masterarbeit auf den Grund geht: Christian Hauser, ehemaliger Personalchef verschiedener namhafter IT-Player in Österreich stellt neue Organisationsformen auf den Prüfstand. Er hat die Leadership Night inhaltlich gestaltet.
Wir haben ihn im Vorfeld dazu befragt:
Herr Hauser, Sie waren bis vor kurzem in verschiedenen leitenden HR-Rollen tätig, zuletzt als Personalchef von Samsung Österreich, und haben sich nun eine Auszeit genommen, um eine Masterarbeit zu schreiben. Was hat Sie inhaltlich zu dieser Master-Arbeit bewogen?
CH: Die Fragen, was Unternehmen erfolgreich macht und welchen Sinn sie verfolgen. Das hat mich schon immer brennend interessiert. Ich habe hauptsächlich IT Unternehmen, globale und regionale Player, westlicher und östlicher Prägung und ihre Organisationsmechanismen intensiv kennengelernt. Danach fragte ich mich: „war das alles oder gibt’s noch mehr?“ So kam ich auf „neue Organisationsformen“, die einen gemeinsamen Nenner haben: sie agieren hierarchiefrei oder stark hierarchiereduziert.
Wie einfach ist es, in Österreich Unternehmen zu finden, die neue Organisationsformen umsetzen bzw. umsetzen wollen?
CH: Ja es gibt sie tatsächlich, die Unternehmen mit neuen Organisationsformen. Manche hängen es an die große Glocke, die „Hidden Champions“ muss man suchen. Wichtig ist, sich von Begriffen wie New Work, Holakratie oder Agilität, etc. nicht blenden zu lassen, sondern genauer hinzuschauen und nachzubohren, was denn „das Neue“ konkret ist und wie es tatsächlich funktioniert. In die Transformationsreisen und in die „Experimentierlabors“ Einblick nehmen zu dürfen, war extrem spannend in meinen qualitativen ExpertenInneninterviews im Rahmen meiner Masterarbeit.
Was waren für Sie zwei unerwartete Antworten und Erkenntnisse bei Ihrer Befragung der Unternehmen?
CH: Erstens: neue Organisationsformen haben nicht weniger Führung bzw. Führende, sondern sogar mehr. Jammern wird schwierig wenn man selbst im Driver-Seat sitzt und partizipativ Entscheidungen trifft.
Zweitens: Hierarchiefreiheit benötigt ein größeres Ausmaß von Entscheidungsstrukturen und Transparenz für alle. Das muss eine Organisation mal erbringen. GründerInnen und GeschäftsführerInnen genauso wie Mitarbeitende. Nachhaltige Selbstorganisation ist kein Honiglecken, sag ich nur.
Wenn Organisationsformen sich verändern und Hierarchien aufgeweicht oder gar abgeschafft werden, werden sich auch die Arbeit und die Aufgaben der Personalabteilungen in den Unternehmen verändern. Welche Rolle wird in Ihren Augen HR in Zukunft haben?
CH: Erstens werden ohne hierarchischen Schutzmantel („HR als Business Partner“) die Karten neu gemischt werden und der Druck gegenüber HR, Erfolgsnachweise zum Unternehmenserfolg zu bringen, wird noch massiver steigen.
Und zweitens wird auch HR experimentieren müssen und dürfen: neue HR-Methoden sind zwingend nötig. Neue Organisationsformen brauchen neue Lösungen, die derzeitigen Lehrbücher sollten wir am Besten gleich „kübeln“.
Wir danken sehr herzlich für das Gespräch.
Fotocredit. presentermedia.com
Juli 3, 2016
Diese Frage aus Sheryl Sandbergs Buch Lean in empfinde ich in Zeiten wie diesen als allgegenwärtig. In ihrem Buch bestärkt sie Frauen, ihre Karrieren voranzutreiben und sich nicht von äußeren wie inneren Stimmen abbringen zu lassen. Eine dieser inneren Stimmen ist die Stimme der Angst. Diese Stimme kennen wir alle und sie ist in unserem Leben, der Wirtschaft und der Politik immer präsent. Angst ist ein wichtiger Faktor in unserem Leben. Sie stellt sicher, dass wir unser Überleben schützen, dass wir uns sicher fühlen. Sie ist aber auch einer der Treiber für Aussagen, Entscheidungen und Handlungen, wenn wir uns grade nicht in der Lage fühlen zu antizipieren, was passieren könnte. Und solche Situationen gibt es täglich. „Prognosen sind schwierig, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen“, habe ich irgendwo vor Jahren mal gehört. Und trotzdem versuchen wir uns darin, aus Angst vor Unsicherheit.
„Hauptsache, es passiert etwas“.
In unserer komplexen Businesswelt wird es zusehends schwieriger, Zukunft zu antizipieren. Das macht (subtil oder weniger subtil) Angst. Aus dieser Angst heraus machen wir Aussagen, treffen wir Entscheidungen setzen wir Handlungen. Jeder und jede von uns auf Basis unserer persönlichen eigenen Geschichte, auf Basis der eigenen Sicht auf die Welt und auf Basis der Angst vor Misserfolgen. Wir sind diese Angst gewohnt, daher nehmen wir sie oftmals gar nicht als solche wahr. Gerade in unsicheren oder Krisenzeiten werden die individuellen (und kollektiven) Angstthemen stark angesprochen und aktiviert. Die Aussagen, Handlungen und Entscheidungen, die dann passieren sind oft von Aktionismus bestimmt, um diese Angst nicht mehr spüren zu müssen: „Hauptsache es passiert etwas“. Meist setzen wir solche Handlungen und Entscheidungen unbewusst über unsere inneren Treiber, vorangegangene Erfahrungen und Verhaltensmuster.
Überleben mit der Angst.
Wie würden wir uns also ausdrücken, wie würden wir entscheiden und handeln, wenn wir keine Angst hätten bzw. uns unserer Angst bewusst wären?Führungskräfte erzählen mir immer wieder, dass sie gerne mit dem Bauch entscheiden und damit sehr gut fahren. Das finde ich sehr schön zu hören. Eine Bauchentscheidung ist oftmals allerdings „nur“ ein diffuses Gefühl zu einer Situation. Sie ist unsere Körperintelligenz, die uns vor etwas warnt oder auf etwas reagiert, was unser „Überleben“ sichert, unsere Sicherheit garantiert. Wenn wir diese Gefühl begründen müssen, fällt das sehr oft schwer, weil wir dafür keine Worte haben. Im Unterschied zu einer Bauchentscheidung ist eine bewusste Entscheidung eine, die den Bauch miteinbezieht, sich aber ganz klar ist (also im Bewusstsein hat), welches innere Wissen dieses Bauchgefühl hervorgerufen hat. Dieses innere Wissen kommt aus unserem Erfahrungsschatz, aber auch aus unseren Anlagen und Talenten. Eine bewusste Entscheidung ist ein Gefühl, das klar und konkret und damit in ihrer Qualität noch nachhaltiger ist, als eine reine Bauchentscheidung. Und sie ist eine Entscheidung, die unsere Angst bewusst miteinbezieht.
Bauchgefühl und Bewusstheit.
Ich erlebe immer wieder, dass Entscheidungen in Unternehmenskontexten anders ausfallen, wenn der/die jeweilige EntscheiderIn sich über seine/ ihre dahinterstehenden (Angst-)Muster Bewusstheit hat. Bekanntlich gibt es ja keine richtigen oder falschen Entscheidungen, sondern nur andere. Genau in diesem Unterschied liegt die Qualität einer bewussten Entscheidung. Wenn uns bewusst ist, was uns individuell treibt, in die eine oder andere Richtung zu entscheiden und zu handeln, oder möglicherweise eine dritte oder vierte Option gar nicht auf unserem Radar zu haben, erweitern wir unseren Handlungsspielraum und die Zusammenarbeit mit anderen bekommt eine neue Qualität auf Augenhöhe.
Karin Weigl
Photocredits: skitterstockphoto.com