Okt 18, 2019
Herbert ist in einem Unternehmen für das Controlling verantwortlich. Und Herbert ärgert sich regelmäßig darüber, dass die Projektmanager ihre Zeiten nicht erfassen. Also schreibt er Mails und ruft an, versucht sie, vor ihren Schreibtischen abzupassen. Dabei gehen viel Zeit und Energie verloren und andere Arbeiten bleiben auf der Strecke. Er hat ein Excel-Sheet programmiert, das alle Stückchen spielt, um Projekte nach allen möglichen Varianten auszuwerten und zu bewerten. Aber ohne die aktuellen und korrekten Daten gibt es keine valide Sicht auf die Projektkosten. Die Gründe seiner Kollegen interessieren ihn einen feuchten Kehricht, wie er meint, er kenne sie auch nicht genau. Er habe schließlich eine Aufgabe im Auftrag der Geschäftsleitung zu erfüllen, deren Sinnhaftigkeit augenscheinlich sei.
Der Karren steckt im Dreck…
Inge ist Projektmanagerin und sehr viel unterwegs. Meist ist sie 4 Tage die Woche vor Ort bei ihren Kundenfirmen und unterstützt diese dabei, ihre Prozesse schneller und effizienter zu gestalten. Sie gibt alles für die Firma und vergisst doch regelmäßig darauf, ihre Projektarbeitszeiten und Reisezeiten einzutragen. Vor allem deshalb, weil das Excel-Sheet in das sie die Daten eintragen sollte, einfach zu kompliziert ist und Zeit erfordert, die sie gefühlt nicht hat. Und sie ärgert sich regelmäßig über Herbert, der sie zu jedem Monatsletzten mit Anrufen und Mails regelrecht zubetoniert. Sein Excel interessiere sie einen feuchten Kehricht, hat sie letztens gesagt, denn es gäbe viel bessere Methoden, die Projektkosten zu erfassen, als seine selbstgestrickte, hoch komplexe Variante. Pattstellung also und der Karren steckt im Dreck.
Georg ist der Chef der Firma. Eine realistische Projektkalkulation ist schon lange ein großes Thema für ihn und ihm ist ein Dorn im Auge, dass das seit Jahren im Unternehmen nicht funktioniert. Gefühlte tausend Male hat er es schon beim einen oder anderen angesprochen. Gefühlte tausend Mal hat er versucht, Sanktionen zu setzen, die er per Rundmail kundtat. Ohne Verbesserung der Situation.
Miteinander reden statt übereinander.
Solche und ähnliche Situationen sind in Unternehmen keine Seltenheit. Es wird übereinander geredet, statt miteinander. Die Schuld wird hin und hergeschoben: der jeweils andere solle etwas anders machen, um eine Situation zu lösen.
Dabei hat jeder von uns einen Beitrag zu einer – oftmals auch verfahrenen – Situation. Und sei es schlichtweg, dass wir nichts machen, um sie zu verändern, dass wir etwas nicht aussprechen oder auf unserem Standpunkt beharren und damit alles blockieren. Dass wir anderen keine Chance geben, etwas zu klären, weil es für uns vermeintlich unwichtig ist, oder uns bei anderen über eine Person beklagen, statt diese direkt anzusprechen.
Vor der eigenen Türe wird oft viel zu wenig gekehrt.
Herbert, zum Beispiel, hat sich nie ehrlich für die wahren Gründe seiner KollegInnen interessiert und war auch nicht offen für alternative Lösungswege, weil er so viel Zeit und Energie in sein Excel gesteckt hatte. Inge, auf der anderen Seite, hat Herbert nie direkt gesagt, dass es an der Komplexität seines Excels lag, weshalb sie Monat für Monat kaum dazu überredet werden konnte, die Daten einzutragen. Und Georg hätte schon längst mal alle Betroffenen an einen Tisch bringen können, die Wichtigkeit für die Profitabilität des Unternehmens hervorstreichen und ein gemeinsames Verständnis für Prozess und Tool herstellen können, statt nur Mails zu schicken und die Leute einzeln darauf anzusprechen. Jeden also einbeziehen und seine oder ihre Gründe hören, warum das leidige Thema Zeiterfassung nicht gelöst werden könne.
Welchen Anteil habe ich daran, dass etwas so ist, wie es ist?
Wenn also wieder mal ein Thema unlösbar erscheint und alle bereits frustriert sind, dann ist es gut, alle Betroffenen an einen Tisch holen. Mache sie zu Beteiligten, in dem du reihum die Frage beantworten lässt: „Was ist mein persönlicher Anteil an der Situation? Was trage ich dazu bei, dass das Thema nicht gelöst werden kann?“ Und du wirst sehen, welchen Unterschied es macht, und wie rasch ein Problem konstruktiv angegangen werden kann, wenn jeder zuerst mal ausgesprochenerweise vor der eigenen Türe kehren muss – auch der Chef – , statt sich gefühlt nur um den Kehricht der anderen zu kümmern.
Wie sagte Goethe schon vor langer Zeit:
„Jeder kehre vor seiner eigenen Türe und die Welt ist sauber.“
Jul 8, 2018
Manager sind verzichtbar … ???
Der κυβερνήτης, der Steuermann, dient dem Begründer der Kybernetik, Norbert Wiener, als Leitbild für seine Wissenschaft von der Steuerung und Regelung von Maschinen, lebenden Organismen und sozialen Organisationen – also auch von Unternehmen.
Nach einem Experiment mit Wasserflöhen zeigt sich, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die gewünschte Richtung gelenkt werden können, um dann ihre Kreativität systemkonform zu nutzen. Wasserflöhe wurden mit Eisenspänen gefüttert und mit Hilfe eines Magneten in die gewünschte Richtung geleitet. Dort wurden sie wieder ihrer Eigendynamik überlassen.
Die Erkenntnis daraus: Der individuelle Mensch wird zur mathematischen Größe, und das aus eigenem Antrieb. Wer modern ist, versucht sich für das System, in dem er arbeitet, zu optimieren, als wäre er oder sie selbst eine Maschine. Die Eisenspäne der Wasserflöhe sind die Dynamik des Systems. Die Eigendynamik, die dann die Kreativität des Individuums freisetzt, ist gelenkt und kanalisiert durch das Unternehmensziel.
Wenn die Unternehmensflöhe, die Mitarbeiter also, dem Magneten folgen: Wer ist der Magnet? Im besten Fall der Manager. Für den heißt es dann allerdings, sich zum rechten Zeitpunkt zu verziehen, weil er sonst Kreativität, Eigendynamik und Produktivität beeinträchtigt!
Misstrauische Manager bauen ein Beobachtungssystem für ihre Mitarbeiter auf, das am besten funktioniert, wenn die Beobachteten nicht wissen, wann und wo sie überwacht werden. Im Film „Das Experiment“ von Oliver Hirschbiegel (2001) geht es darum, dass Gefangene jederzeit per Kamera beobachtet werden können, selbst jedoch nicht wissen, wann.Ein Panoptikum der Macht entsteht, ganz so, wie es der französische Philosoph Michel Foucault in seiner Machttheorie beschreibt. Disziplin steht an oberster Stelle, und solange dies so ist, ist alles gut, weil der Gefängnisablauf ohne Gewalt funktioniert.
Ist dann aber tatsächlich alles gut?
„Das Experiment“ zeichnet das Bild unserer modernen Überwachungsgesellschaft: Jeder Schritt, jede Handlung, jede Kommunikation ist zentral abrufbar – beruflich wie privat. Jedes E-Mail des Mitarbeiters oder der Mitarbeiterin kann überprüft werden, aber die Betroffenen wissen nicht, ob, wie oft und wann. Ob Home-Office, Großraumbüro oder Einzelzimmer – Big Brother is watching you … oder zumindest weißt du, dass er’s kann, wenn er will. Du bist gefüttert mit den Eisenspänen der Transparenz.
Da nützen auch Seminare und Trainings zum Aufbau des Vertrauens nichts. Die Lösung schlägt der Hamburger Künstler Hans-Christian Dany vor: Verabschiede dich von der modernen Kommunikation. In seinem Buch „Ab morgen werde ich Idiot. Kybernetik und Kontrollgesellschaft“ empfiehlt er, auf kluge Weise dumm zu werden, das heißt, nicht mehr mit jenen politischen und ökonomischen Kräften zu kommunizieren, die diese Kommunikation ohnehin am Ende für ihre eigenen Zwecke und Interessen benutzen.
Dem Manager gibt Dany eine Empfehlung mit auf den Weg, seine Rolle vom Kontrolleur zum Motivator umzuformen: „Das Management muss die Störung suchen und muss sie auch stark machen, damit sich die Regelkreisläufe in ihrer geschlossenen Form nicht erschöpfen, sondern durch die Störung neue Informationen und neue Energie zugefügt bekommen.“
Norbert Wiener, Mensch und Menschmaschine – Kybernetik und Gesellschaft. Ullstein Nr. 184, 1958
Hans Christian Dany, Ab morgen werde ich Idiot. Kybernetik und Kontrollgesellschaft. Edition Nautilus, 2013
Michel Foucault, Überwachen und Strafen – Die Geburt des Gefängnisses, Suhrkamp, 1975
Über den Autor:
Hubert Arnim-Ellissen, ist bekannter Ö1 Redakteur und Journalist. Er schreibt auch regelmäßig auf www.wahnsinnvierpunktnull.at
Fotocredit: fotolia.com #167403711
Jul 13, 2015
Am 9. Juli war es soweit: Unser 1. Wiener Leadership Breakfast hatte eine Gruppe engagierter Führungsdenker und Frühaufsteher im Café Lutz in Wien versammelt.
Nach einer persönlichen Begrüßung interessierte uns die Frage, welche Vorstellungen von Führung hier am Frühstückstisch zusammensaßen. Eine leicht abgewandelte Form der 635-Brainwriting-Methode brachte folgende Antworten auf die Frage „Welche Begriffe verbinde ich mit dem Thema Führung?“:
Dialogfähigkeit, Rahmenbedingungen, Vertrauen, Zieldefinition, Mitarbeiter bewegen, dienen, Motivation, Orientierung, loslassen, soziale Verantwortung, Vorbild, Autorität, Wachstum, Struktur, Teamspirit, Authentizität, Verlässlichkeit, Freiraum geben, Vertrauen, Emotion, Einbindung Mitarbeiter, gemeinsame Ziele, upward leading, Vertrauen
Fällt Ihnen etwas auf?
Richtig. Es gab ganz genau einen Begriff, der mehrfach, nämlich dreimal genannt wurde: Vertrauen. Was lag näher als die folgende Diskussion mit der Frage zu eröffnen „Müssen Führungskräfte alles im Griff haben?“
Kurzprotokoll der Diskussionsthemen
Es wurde ziemlich schnell klar, dass sie nicht alles im Griff haben müssen oder können. Es stellte sich also die Frage, was im Griff zu behalten sei, wofür Verantwortung bestehe, z.B. Ziele und Orientierung, Rahmenbedingungen und Spielregeln, die Reaktion auf Unwegbarkeiten. Einigkeit bestand darüber, dass diese Fragen sehr brachen- und organisationsabhängig zu beantworten sei. Wissensdurst bestand hinsichtlich der Frage, wie eine Kultur des Vertrauens überhaupt zu ermöglichen sei.
Es wurden Unterschiede zwischen Führung, Management, Steuerung und Leadership erörtert. Auch stellte sich die Frage, wer denn die Führungskraft sei. Wenn sich Führungskräfte dadurch auszeichnen, dass sie ‚Entscheidungen treffen‘, was wird dann aus dem Bild der Führung in partizipativen Organisationsmodellen?
Insbesondere dort – aber nicht nur dort – steigt das Mittel der Kommunikation zum wichtigsten Führungsinstrument auf. Es geht um Formen der Kommunikation aber auch um Inhalte von Kommunikation zur Schaffung von Transparenz. Der Gedanke „Wer nicht kommuniziert, der ist nicht existent.“ wurde von einem Teilnehmer als für ihn wichtigsten Gedanken des Morgens deklariert.
Viele weitere Aspekte konnten wir in der kurzen Zeit leider nur anreißen. Aber wir freuen uns über die Wirkung dieses morgendlichen Teasers, die ein Teilnehmer folgendermaßen kommentierte: „Ich bin jetzt frisch und motiviert für den Tag“.
Ein großes Dankeschön an alle Beteiligten, die so inspiriert diskutiert haben!
Das nächste Leadership Breakfast findet nach der Sommerpause statt am Donnerstag, 10. September, wieder 8:15 Uhr im Café Lutz.