Rückblick: das war der Wiener Leadership Kongress 2017
Ein Veranstaltungsrückblick von Sascha Vogel, 4dimensions GmbH
„Wer übernimmt die Führung?“
Das war das Motto des 3. Wiener Leadership Kongress am 8. und 9. November 2017 im stylischen Novomatic Forum in Wien.
Keynote-Abend zum Auftakt
Den Auftakt am Vorabend des Kongresstages, gaben – wie bereits gewohnt – zwei Keynotes, deren Anregungen und Eindrücke anschließend bei einem Glas Wein und Knabbereien diskutiert und verarbeitet wurden.
Machen wir es wie die Kinder, spielen wir!
Ricarda Droop, Geschäftsführerin von WANDELZeit, stellte die Frage: Warum spielen wir eigentlich nicht im Business? und rückte damit den unbeschwerten und ergebnisoffenen Moment des Spiels in den Mittelpunkt der Führungsarbeit. Ebenso spielerisch übernahm die junge Jamila Tressel zeitweise den Vortrag. Sie berichtete uns über die Schule im Aufbruch (www.schule-im-aufbruch.de) und wie viel Begeisterung und Spiel dort für das Lernen erlebbar würde. Auch berichtete sie über ein Projekt, in dem Schüler Manager coachen. So geschehen in einigen namhaften deutschen Unternehmen. Die Sichtweise der Jugendlichen brachte dabei überraschend neue Impulse in die Arbeit der Führungskräfte, so das Feedback aus den Unternehmen. Den ihrer Keynote Abschluss macht natürlich ein Spiel. Dabei wurde Führung als das gerichtete Leiten von Kräften spürbar. Zu führen heißt also, Räume zuzulassen und folglich eine Offenheit für das Spiel der Kräfte zu schaffen. Mit einer überraschenden Dramaturgie ihre Keynote und einem spielerischen Wechsel zwischen den beiden Speakerinnen, polarisierten sie und erzeugten im Nachspann noch angeregte Diskussionen.
Im Spannungsfeld zwischen Eigenverantwortung, Führung und dem Abgeben der Führung an andere
Andreas Santner ist – neben seinem Brotberuf als Geschäftsführer der Salzburger Werbeagentur IGL – seit 30 Jahren Vorstand der Salzburger Such- und Vermisstenhundestaffel. Diese ehrenamtliche Tätigkeit liegt ihm spürbar am Herzen. In seinem dynamischen und mitreißenden Vortrag beschrieb er, wie man eine Freiwilligenorganisation mit sehr begrenzten finanziellen Mitteln aber mit scheinbar unbegrenzten Idealismus führt. In Einsätzen bei denen es oft um Leben und Tod geht, bekommt Führung und Zusammenarbeit, die sich vorrangig an gemeinsamen Werten orientiert, eine existenzielle Bedeutung. Denn jedes Mal, wenn das Einsatzteam gerufen wird, herrscht eine Krise: jemand ist in den Bergen verunglückt. Und dann muss es schnell gehen. Die Kunst dabei ist es, im richtigen Moment selbst zu führen oder sich von den Hunden oder anderen Einsatzkräften führen zu lassen. Dazu gehört auch, dass man Verantwortung übernimmt und hilft, selbst wenn die Notlage des zu Rettenden von ihm/ ihr grob fahrlässig herbeigeführt wurde.
Der Kongresstag
Nachdem sich die TeilnehmerInnen durch den morgendlichen Wiener Verkehr gekämpft hatten, starteten alle gespannt in den Kongresstag, welcher nach bereits bewährtem Format ablief. Die vier ersten ImpulsgeberInnen stellten in jeweils 15 Minuten ihre derzeit größten Herausforderungen und Themen vor. Genauere Einblicke boten dann zwei je einstündige Dialogrunden, die zum Mitdiskutieren einluden.
Den Anfang machte Hans Gastenauer: Während wir oft am liebsten über die Erfolgsgeschichten von Unternehmen sprechen und von ihnen lernen wollen, zeigte uns Hans Gastenauer wie man im Worst Case – nämlich der konsequenten Liquidation einer Firma – führt. Dabei wird deutlich, dass gerade in Situationen in denen Mitarbeiter mit der Kündigung konfrontiert sind und die Verbleibenden „ihr eigenes Grab schaufeln“, die Frage nach dem Sinn, mehr denn je beantwortet werden will. Führung heißt dann vor allem, Einfühlungsvermögen zu beweisen und Angebote zur Beantwortung dieser Frage zu machen, um den Blick der Betroffenen auf „ein Leben danach“ zu richten sowie die rechtlichen Möglichkeiten zu Gunsten der Gekündigten bestmöglich auszuschöpfen.
Danach war Sabine Stortenbeek an der Reihe. Wenn Beziehungen zwischen Menschen die Führung übernehmen und wir Beziehung wörtlich nehmen, dann beinhaltet das den Bezug und damit immer auch ein Bezugnehmen auf unsere Mitmenschen. Damit beschrieb Sabine Stortenbeek den kontinuierlichen Prozess des relationalen Führens, welcher es immer wieder von neuem erfordert, die Perspektiven des Gegenübers einzunehmen und sich immer wieder mit den eigenen mentalen Zuständen auseinanderzusetzen. Nur in dem ich bereit bin, mich buchstäblich „zum anderen umzudrehen“, kann ich eine tragfähige (Führungs-)Beziehung schaffen.
Der nächste Impuls kam von Oskar Dohrau. Was passiert, wenn plötzlich alle führen (können)? Oskar Dohrau kann ein Lied davon singen, denn er hat im eigenen Betrieb Holacracy, ein hierarchiefreies Unternehmensmodell, eingeführt und uns von seinen Erfahrungen berichtet. Hierbei wird Selbstorganisation zum zentralen Prinzip. Leadership kann dann auch heißen, die eigenen, über Jahre antrainierten Führungsinstinkte zu ignorieren und stattdessen die anderen dabei zu unterstützen die eigene Führung zu finden.
Den Abschluss des Vormittags machte Valentina Hornek. Als Mitarbeiterin bei Otago Online Consulting beschrieb Valentina was passiert, wenn Individualität die Führung übernimmt. Dann nämlich geben zunehmend die individuellen Talente und Fähigkeiten vor, was passiert und vor allem WIE es passiert. Die wohl angenehmste Nebenwirkung dessen ist, dass selbstgestaltete Prozesse einen hohen Grad an persönlicher Identifikation mit sich bringen. Einfach weil jeder ein Stück von sich – seiner/ihrer Individualität – gegeben hat.
Nach der Mittagspause begleiteten uns die übrigen, ebenso spannenden ImpulsgeberInnen durch den Nachmittag und luden im Anschluss an die 15-Minuten-Impulse zu weiteren Dialogrunden in der Gruppe.
Petra Augustyn, Expertin für künstliche Intelligenz eröffnete den Nachmittag. Keine Sorge! In den nächsten 200 Jahren brauchen wir uns keine Sorgen darüber zu machen, dass alle Arbeitsplätze von Robotern besetzt werden. Stattdessen besteht Leadership heute gerade darin, die zunehmende Technisierung immer auch ethisch zu hinterfragen und mögliche Folgen für die Betroffenen zu bedenken. Wie effizient wir sind, kann Technik bestimmen, ob ihre Nutzung jedoch moralisch vertretbar ist, kann und muss am Ende immer der Mensch beurteilen.
Christian Aigner ist als Fachbereichsleiter bei Vertretungsnetz damit konfrontiert, dass ab 2018 eine Gesetzesänderung die Führung übernimmt. Mit der Gesetzesänderung zur Sachwalterschaft kommen viele Neuerungen, die vor allem auf die Zusammenarbeit und die persönlichen Einstellung und Haltung der MitarbeiterInnen einen Einfluss haben wird: ging es bisher darum, besachwaltete Menschen (vor sich selbst) zu schützen, ändert sich nun aufgrund der Gesetzesänderung der Blickwinkel darauf, besachwalteten Menschen möglichst viel Entscheidungsfreiheit zu geben. Zu dieser Änderung des Grundverständnisses der Arbeit der Sachwalter kommt noch dazu, dass in kurzer Zeit 120 neue MitarbeiterInnen in die Organisation integriert werden müssen, da die Aufgabengebiete zunehmen.
Judith Klaiber ist Theologin, Universitätsassistentin und Expertin für Leadership und Werte. Sie hat sich und uns gefragt, was passiert, wenn Tugenden die Führung übernehmen. Erscheinen sie zunächst abstrakt und verstaubt, zeigt sich schnell, dass sie als persönliche Eigenschaften und Handlungsprinzipien nichts an Aktualität eingebüßt haben. Im Gegenteil, Führung welche sich an – manchmal abstrakt anmutenden – Werten orientieren soll, erhält durch die Berücksichtigung von Tugenden eine konkrete Ergänzung, in dem sie uns immer wieder die Arbeit an uns selbst ins Gedächtnis ruft.
Den Abschluss der ImpulsgeberInnen machte Lars Fehmer. Als Projektmanager bei Agfa Healthcare hat er bottom-up mit seiner Projektorganisation einen Veränderungsprozess im Unternehmen angestoßen. Die interne Zusammenarbeit zwischen den beiden Abteilungen Vertrieb und Projektorganisation lief nicht reibungsfrei und das zeigte sich in einer spürbaren Kundenunzufriedenheit und sinkenden Projektmargen. Mit Hilfe eines Beratungshauses machte er das WIE des Miteinanders bei Agfa zum Thema. Bestehende Prozesse wurden beibehalten, stattdessen änderten sich jedoch die Haltungen der einzelnen Abteilungen zueinander. Ein wertschätzender Umgang brachte bessere Abstimmung zwischen Vertrieb und Projektteam und führte damit schließlich – auch zahlenmäßig – zu erfolgreicheren Projekten.
Die abschließende Rekapitulation des diesjährigen Wiener Leadership Kongresses lieferte der Poetry-Slammer Manuel Thalhammer. Mit seinen genauen Beobachtungen der vergangenen eineinhalb Tage, führte er uns lyrisch wie humoristisch vor Augen, was Keynotes, Inputs und Diskussionen klargemacht haben: wenn äußere Faktoren oder Krisen die Frage aufwerfen, wer die Führung übernimmt, ist dies im konkreten Fall oft schwierig zu entscheiden. In allen Fällen besteht der Unterschied zwischen bloßer Führung und gelungener Führung jedenfalls in der Fähigkeit aufeinander einzugehen, ein gemeinsames Verständnis der Situation herzustellen und einander Vertrauen entgegenzubringen.
Fotocredit: (c) Karina Schneider für den Wiener Leadership Kongress 2017