Die Früchte der Führung

In einem unserer Wiener Leadership Breakfasts haben wir den Begriff „Fruchtbarkeit“ näher beleuchtet und in Zusammenhang mit „Führung“ gestellt. Dabei sind wir rasch in eine spannende Diskussion geraten.

Was hat Fruchtbarkeit mit Führung zu tun?

Diese Frage mag sich vielleicht aufdrängen. Fruchtbarkeit hat mit Samen säen zu tun. Ein Samen kann allerdings nur dann aufgehen, wenn der Boden dafür gut aufbereitet wurde. Der Boden muss fruchtbar sein, damit etwas wachsen kann. Damit eine Saat aufgeht, muss man sich um den Boden kümmern, man muss Steine entfernen, ihn umgraben, Erdschichten vermischen, Humus einbringen, ihn mit Mineralstoffen versorgen. Wasser und Sonne sind dann noch weitere Zutaten, damit etwas wachen kann. Es braucht eine Strategie, aber vor allem Hingabe und Geduld, etwas reifen zu lassen sowie Wille und Liebe. Vielleicht müssen auch manchmal Rückschläge in Kauf genommen werden, bevor geerntet werden kann. Nur den Fokus auf möglichst häufige Ernte zu haben laugt den Boden aus, es braucht also auch Ruhezeiten und ein Brachliegen.

Umgelegt auf eine Organisation und Führung bedeutet das, dass wir einen Kontext schaffen müssen, in dem Fruchtbares entstehen kann. Es braucht die richtigen Umstände, dass etwas geboren werden kann und es braucht eine individuelle, zur Organisation passende Strategie, einen Plan. Das, was geboren werden möchte, kann nicht erzwungen werden – ebenso wie in der Natur. Nicht jeder Boden ist für jede Pflanze gleich gut und nicht jedes Produkt oder jede Organisationsform für einUnternehmen. In Unternehmen sollten wir uns den Kontext ansehen, mit dem wir es zu tun haben und eine Umgebung schaffen, dass das, was aus der Organisation wachen will auch wachsen kann. Nicht jede Strategie ist für jedes Unternehmen geeignet – auch, wenn manchmal so gehandelt wird.

Was ihm blühen wird, weiß nicht mal der Gärtner

Und trotz bester und passender Strategie gehen sowohl in der Natur als auch in Unternehmen Samen auf, die niemand bewusst gesät hat, die „eingeschleppt“ wurden oder der Wind in unseren Garten getragen hat. Dann passiert Unvorhergesehenes, Ungeplantes. Aber ist das automatisch schlecht?

Der libanesische Autor Nassim Nicholas Taleb nennt solche unvorhergesehenen Ereignisse Schwarze Schwäne. Oft werden solche schwarzen Schwäne als unangenehm wahrgenommen, als Ereignisse, die negative Auswirkungen haben, weil sie vom Plan abweichen. Je komplexer ein System, desto wahrscheinlicher tauchen schwarze Schwäne auf. Schwarze Schwäne haben allerdings auch die Eigenschaft, etwas Neues, Unerwartetes hervorzubringen, dessen Nutzen meist erst später erkannt wird, weil etwas anderes geplant war. Bekannte Beispiele solcher schwarzen Schwäne sind die Erfindung der Post-Its, Viagra, oder auch die Entdeckung Amerikas.

Zurück zur Fruchtbarkeit:

Kann Fruchtbarkeit auch ein Fluch sein?

Was passiert, wenn immer jede Saat aufgeht? Wenn immer alles funktioniert? Wir waren uns einig, dass dann keine Erfahrung des Scheiterns und damit des Erfahrung-Machens möglich wäre. Wenn immer alles funktioniert verliert Erfolg wahrscheinlich auch über kurz oder lang seinen Wert. Und die Menschen würden folglich vielleicht sogar überheblich werden. Was uns wieder zurück zum Boden bringt und dazu, auf dem Boden zu bleiben.

Alles was gegen die Natur ist, hat auf die Dauer keinen Bestand.“

meinte Charles Darwin schon vor gut 150 Jahren. Und wir Menschen versuchen tagein tagaus dieses Statement zu widerlegen. Wenn wir Menschen beispielsweise keine Nachkommen zeugen können, beginnen wir „herumzudoktern“: wir beschäftigen uns mit Varianten der künstlichen Befruchtung, in manchen Ländern auch mit Leihmutterschaft. Wir beginnen in den natürlichen Lauf der Natur einzugreifen. Die Frage, „Warum geht es nicht?“ erzeugt Unsicherheit und oft wollen wir ein „Geht-nicht“ nicht akzeptieren. Auch im Business nehmen wir Einfluss und versuchen alles, um Erfolg und Ernte einzufahren.

Dort, wo der Mensch in den Lauf der Natur eingreift und die Führung übernimmt, muss er auch dranbleiben und sich kümmern. Als Beispiel brachte eine Teilnehmerin unseres Leadership Breakfasts eine Orangeplantage. Sie hatte selbst gesehen, was passiert war, als die Plantage – also eine künstliche, auf Profit ausgerichtete Monokultur – weiterhin Orangen produzierte, die allerdings niemand mehr erntete. Die Plantage lag nach der Teilung Zyperns im Niemandsland. Das war in den frühen 1980iger Jahren.  Die Orangen fielen irgendwann überreif zu Boden und verfaulten und verschimmelten. Auf den Bäumen wuchsen neue Orangen und weil wieder niemand erntete, fielen auch diese zu Boden und verrotteten. Jahr für Jahr ging das so weiter, mit dem Ergebnis, dass der Landstrich mit einer weißen Schimmelschicht überzogen war und man beim Durchfahren mit dem Auto die Fenster schließen musste: viel Fruchtbarkeit, die allerdings keinen Nutzen hatte…

Das richtige Maß

Fruchtbarkeit und Ernteerfolg ist also auch immer eine Frage des richtigen Maßes – und des Ziels, das damit verfolgt wird. Fruchtbarkeit oder Wachstum ist nicht immer eine gute Sache. Manchmal ist es besser, wenn etwas nicht funktioniert oder „zurückgebaut“ werden muss oder am Ende etwas ganz anderes herauskommt. Womit wir wieder bei den Erfahrungszyklen wären.

Dort, wo der Mensch eingreift und die Führung übernimmt, muss er also dranbleiben. Um Fruchtbares zum Wohle aller entstehen zu lassen braucht es vor allem Vertrauen und das richtige Maß zwischen Strategie und Loslassen, zwischen steuern und geschehen lassen.

karin weigl

Fotocredit: fotolia.com #120832183 © Josip Matic

Führung ist Beziehung.

Mit seinem Leadership-Programm socialmentoring setzt Gerhard Lechner neue Impulse in der Führungskräfteentwicklung. Manager aus Wirtschaftsunternehmen begleiten dabei sozial benachteiligte Menschen als MentorInnen. Der Kern dieser Weiterbildung für Führungskräfte ist das Fokussieren auf Beziehungsfähigkeit und Menschenbild.
Wir haben Gerhard Lechner getroffen und ihn gefragt, was dieses Programm von anderen unterscheidet.

Wie kommt man auf die Idee ein Führungskräfteprogramm zu konzipieren, dass sich auch um sozial benachteiligte Menschen kümmert?

Ich wollte als Unternehmer etwas sozial Sinnvolles auf die Beine stellen – nämlich Menschen unterstützen, die es nicht so gut getroffen haben.
Meine damalige Erkenntnis, dass in einem so reichen Land wie Österreich etwa 1,5 Millionen Menschen in Armutsgefährdung leben, brachte mich auf die Idee, ein System auf die Beine zu stellen, wo Menschen per Hilfe zur Selbsthilfe zu einem existenzsichernden Job geführt werden. Und dieses „Führen“ war für mich die Brücke zu Führungskräften.
Aus meine eigenen Erfahrungen als Manager wußte ich auch um die Schwachstelle vieler Führungskräfte, die oft gut in Management Skills ausgebildet sind, aber nicht in Beziehungskompetenz.
Und somit ergab sich daraus die Basis das, deiner gegenseitigen Trainingspartnerschaft.

Worum geht es bei socialmentoring?

Grundidee und wesentlicher Unterschied zu den vielen verschiedenen Formen heutiger Leadership Trainings sind 2 Prinzipien:

  1. Die Verfeinerung von Beziehungskompetenz in der Praxis: Grundidee von socialmentoring ist Learning by Doing in geschützter Umgebung mit ExpertInnenbegleitung.
  2. Die Führungskraft trainiert außerhalb ihres Organisationssystems mit einer betriebsfremden Person. Sie kann sich daher öffnen. Einschränkungen durch festgefahrene Beziehungskonstellationen fallen weg. Und es wird das Probehandeln neuer Verhaltensweisen möglich, ohne unerwünschte Interventionen im eigenen Teamgefüge zu riskieren. Die Reflexion des eigenen Handelns und Verhaltens führt zu Erkenntnissen, die als erweiterte Beziehungs- und Führungskompetenzen ins eigene Organisationsystem zurückfließen. Die Begleitung durch Expertinnen und Experten garantiert dabei den geschützten Rahmen.

Warum wird das Gestalten von Beziehungen für die Führungsarbeit in Zukunft ein noch wichtigerer Bestandteil sein, als bisher?

Führung ist Beziehung: neben der schlichten Feststellung, dass bereits heute mangelhafte Sozial- und Beziehungskompetenz Führung oft ineffektiv sein lässt, stellen v.a. aufkommende Veränderungen, wie die Digitalisierung oder der Globalisierung, Führung vor neue Herausforderungen.
Seit einigen Jahren kommen zunehmend mehr erfolgreiche Modelle der Arbeitsorganisation und Führung auf, die entweder flache Hierarchien oder selbstorganisierte eigenständige Einheiten haben, die ihren Unternehmenszweck selbst verantwortlich erfüllen. Die autoritäre Führung wird hier durch einen kooperativen Führungsstil ersetzt, die Einzelentscheidung des Chefs weicht Gruppenprozessen mit gemeinsamen Entscheidungen. Co-Kreativität, Flexibilität und sinnerfüllende Arbeit sind künftige Leitlinien. Intelligente Kooperation – auch über Unternehmensgrenzen hinaus – wird zusehends wichtiger werden.

Von welchen persönlichen Erkenntnissen haben TeilnehmerInnen – Mentoren und Mentees – im Zuge des Programms berichtet?

Viele Erkenntnisse wurden seitens der Führungskräfte rückgemeldet, beispielsweise, dass

  • man Potenziale, die das Gegenüber mitbringt, tendenziell unterschätzt
  • das Training ein gutes Übungsfeld dafür bietet, Potenziale anderer zu erkennen und sie in Können und letztlich Resultate überzuführen
  • die Anwendung von Coaching-Instrumenten in der Führung (beispielsweise offene Fragen zu stellen) enorm wirksam sein kann, um schlummernde Potenziale des Partners aufzuwecken
  • es angesichts der möglichen Schwere der Situation des Gegenübers sehr lehrreich ist, die eigene Grenze zwischen Mitgefühl und Mitleid zu erkennen; und dabei angesichts eigener Betroffenheit nicht die Handlungsfähigkeit zu verlieren
  • die Selbstreflexion dazu hilft, den eigenen Anteil an einer Situation zu sehen, anstatt nur das Verhalten des Gegenübers ändern zu wollen

Mentees berichten v.a. darüber, dass

  • sie größere Klarheit über ihre Stärken und Kompetenzen gewinnen
  • sie ihre beruflichen Zielsetzungen wesentlich präziser formulieren können
  • ihr Selbstvertrauen merklich gestiegen ist als Folge ihrer positiven Erlebnisse während des Prozesses
  • sie nun in der Lage sind, sich selbst besser zu vermarkten, weil sie gelernt haben, ihre Fähigkeiten und vergangenen Erfolge klar darzustellen
  • sie in ersten durchgeführten Bewerbungsprozessen wichtige Erfahrungen gesammelt haben
  • sie die Bedeutung eines eigenen Beziehungsnetzwerks erkannt haben und dass Beziehungen aufbauen nicht nur Nehmen, sondern v.a. auch Geben bedeutet.

In einzelnen Fällen gelang es Mentees bereits während des Programms, ihren Wunschjob zu erhalten. In anderen Fällen haben sich Mentees zu einer Form der Professionalität entwickelt, die sie in die Lage versetzte, selbstständig ihre Weiterentwicklung voranzutreiben. Interessant war auch das Beispiel einer Mentee, die erst durch den Wechsel zu ihrem vermeintlichen Wunschjob erkannte, dass ihr vorheriger Job Qualitäten bot, die sie davor nicht sah – und sie deshalb in ihren alten Job (unter etwas verbesserten Rahmenbedingungen) zurückkehrte.

Was ist die Mission von socialmentoring?

Wir glauben daran, dass Organisationen/ Unternehmen mehr und mehr ihre Gestaltungskraft für das Wohl aller Menschen nutzen. Folglich glauben wir, dass sich der Social-Impact-Gedanke immer stärker in der DNA von Organisationen verankern wird. Erfolgreiche Organisationen/Unternehmen sorgen daher für entsprechende Kompetenzen bei Führungskraft und MitarbeiterIn. Diese Veränderung gemeinsam mit Organisationen/Unternehmen zu gestalten, ist unser Ziel.

Und wir tun das auf Basis unserer Mission: Führungs- und Beziehungskompetenzen auf nachhaltigen Wegen trainieren. Armutsgefährdung reduzieren. Mit Unternehmensmodellen Brücken bauen zwischen Organisationen und Gesellschaft. Zum beiderseitigen Nutzen.


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