Dez 10, 2019
Gefühle haben etwas Überwältigendes. Sie entstehen im Augenblick, da sie Reaktionen auf etwas sind, das uns zustößt bzw. auf eine Situation, die sich einstellt. Von dieser Situation können positive Gefühle ausgehen: Freude, Glück oder Hoffnung; oder auch negative Gefühle: Angst, Enttäuschung, Trauer oder Zorn bzw. Wut. Und das kann (Mit-)Menschen manchmal ziemlich überfordern. Privat, aber auch im Arbeitsalltag. Und wenn in einem Konflikt oder nach unpopulären Entscheidungen dann die Aufforderung kommt, „doch bitte mal sachlich zu bleiben“, funktioniert das meistens nicht. Das haben wir alle schon mal erlebt.
Wir sind in einer Tradition – der westlichen Welt – aufgewachsen und zivilisiert worden, die seit Anbeginn das Denken eher über das Fühlen stellt. Verstand (Vernunft) und Gefühl, das ist ein Gegensatz, der oft mit einer Wertung verbunden ist; nämlich mit der Ansicht, dass unsere Gefühle durch unseren Verstand gezügelt, gezähmt werden sollen. Doch wenn Gefühle ins Spiel kommen, setzt der rationale Verstand meistens aus.
Räumlichkeit
Gefühle sind immer auf etwas (oder jemand) gerichtet und haben deshalb auch eine Räumlichkeit. Dies drückt sich in den Präpositionen aus, die wir verwenden: Wir haben Angst vor etwas oder jemandem, wir schämen uns vor jemandem für etwas, wir freuen uns (oder trauern) über etwas, wir sind zornig auf jemanden oder über etwas oder ärgern uns über jemanden oder etwas. Ebenso leiden wir – auch dies ist ein emotionaler Zustand – unter einer bestimmten Situation.
Wie kann man mit Emotionen im Arbeitsalltag umgehen?
In jedem Fall ist es wichtig, beispielsweise im Falle eines Konflikts oder einer unangenehmen Situation in einem Meeting, den Emotionen Raum zu geben, sie anzuerkennen. Das kann in einem Meeting durch eine „Meinungsrunde“ passieren. Jeder und jede hat reihum 2 Minuten Zeit (Zeit wird mitgestoppt), alles zu artikulieren, was ihm oder ihr zu einem Thema am Herzen liegt. Dabei wird weder kommentiert, noch bewertet. Jeder hört dem anderen zu, ohne zu unterbrechen. Das nimmt unmittelbaren Druck heraus. Manchmal braucht es noch eine zweite Runde, in der man dann durchaus die Fragestellung noch verändern kann: z.B. „Was müsste passieren, dass es noch schlimmer wird, als es gerade ist“ oder „Was brauche ich, damit ich heute wenigstens halbwegs gut aus diesem Meeting gehen kann“. Für die Führungskraft liefern diese Runden zusätzlich Informationen, die für die Kommunikation und Umsetzung einer Entscheidung oder nächster Schritte sehr relevant sein können. Zudem wird transparent, was die MitarbeiterInnen wirklich denken und fühlen.
Jedoch muss man als Führungskraft vielleicht auch mal aushalten, trotz Meinungsrunden ohne Lösung aus einem emotionalen Meeting zu gehen. In kurzen Einzelgespräche ein oder spätestens zwei Tage später kann man dann dazu beitragen, langsam gemeinsam wieder eine konstruktive Sicht einzunehmen: jeder hat sich wahrgenommen und gehört gefühlt, es ist alles gesagt. Also kann nun langsam auch an Lösungen gedacht werden, nachdem die ersten Emotionen abgeflaut sind.
Dr. Klaus Neundlinger & Karin Weigl
Okt 18, 2019
Herbert ist in einem Unternehmen für das Controlling verantwortlich. Und Herbert ärgert sich regelmäßig darüber, dass die Projektmanager ihre Zeiten nicht erfassen. Also schreibt er Mails und ruft an, versucht sie, vor ihren Schreibtischen abzupassen. Dabei gehen viel Zeit und Energie verloren und andere Arbeiten bleiben auf der Strecke. Er hat ein Excel-Sheet programmiert, das alle Stückchen spielt, um Projekte nach allen möglichen Varianten auszuwerten und zu bewerten. Aber ohne die aktuellen und korrekten Daten gibt es keine valide Sicht auf die Projektkosten. Die Gründe seiner Kollegen interessieren ihn einen feuchten Kehricht, wie er meint, er kenne sie auch nicht genau. Er habe schließlich eine Aufgabe im Auftrag der Geschäftsleitung zu erfüllen, deren Sinnhaftigkeit augenscheinlich sei.
Der Karren steckt im Dreck…
Inge ist Projektmanagerin und sehr viel unterwegs. Meist ist sie 4 Tage die Woche vor Ort bei ihren Kundenfirmen und unterstützt diese dabei, ihre Prozesse schneller und effizienter zu gestalten. Sie gibt alles für die Firma und vergisst doch regelmäßig darauf, ihre Projektarbeitszeiten und Reisezeiten einzutragen. Vor allem deshalb, weil das Excel-Sheet in das sie die Daten eintragen sollte, einfach zu kompliziert ist und Zeit erfordert, die sie gefühlt nicht hat. Und sie ärgert sich regelmäßig über Herbert, der sie zu jedem Monatsletzten mit Anrufen und Mails regelrecht zubetoniert. Sein Excel interessiere sie einen feuchten Kehricht, hat sie letztens gesagt, denn es gäbe viel bessere Methoden, die Projektkosten zu erfassen, als seine selbstgestrickte, hoch komplexe Variante. Pattstellung also und der Karren steckt im Dreck.
Georg ist der Chef der Firma. Eine realistische Projektkalkulation ist schon lange ein großes Thema für ihn und ihm ist ein Dorn im Auge, dass das seit Jahren im Unternehmen nicht funktioniert. Gefühlte tausend Male hat er es schon beim einen oder anderen angesprochen. Gefühlte tausend Mal hat er versucht, Sanktionen zu setzen, die er per Rundmail kundtat. Ohne Verbesserung der Situation.
Miteinander reden statt übereinander.
Solche und ähnliche Situationen sind in Unternehmen keine Seltenheit. Es wird übereinander geredet, statt miteinander. Die Schuld wird hin und hergeschoben: der jeweils andere solle etwas anders machen, um eine Situation zu lösen.
Dabei hat jeder von uns einen Beitrag zu einer – oftmals auch verfahrenen – Situation. Und sei es schlichtweg, dass wir nichts machen, um sie zu verändern, dass wir etwas nicht aussprechen oder auf unserem Standpunkt beharren und damit alles blockieren. Dass wir anderen keine Chance geben, etwas zu klären, weil es für uns vermeintlich unwichtig ist, oder uns bei anderen über eine Person beklagen, statt diese direkt anzusprechen.
Vor der eigenen Türe wird oft viel zu wenig gekehrt.
Herbert, zum Beispiel, hat sich nie ehrlich für die wahren Gründe seiner KollegInnen interessiert und war auch nicht offen für alternative Lösungswege, weil er so viel Zeit und Energie in sein Excel gesteckt hatte. Inge, auf der anderen Seite, hat Herbert nie direkt gesagt, dass es an der Komplexität seines Excels lag, weshalb sie Monat für Monat kaum dazu überredet werden konnte, die Daten einzutragen. Und Georg hätte schon längst mal alle Betroffenen an einen Tisch bringen können, die Wichtigkeit für die Profitabilität des Unternehmens hervorstreichen und ein gemeinsames Verständnis für Prozess und Tool herstellen können, statt nur Mails zu schicken und die Leute einzeln darauf anzusprechen. Jeden also einbeziehen und seine oder ihre Gründe hören, warum das leidige Thema Zeiterfassung nicht gelöst werden könne.
Welchen Anteil habe ich daran, dass etwas so ist, wie es ist?
Wenn also wieder mal ein Thema unlösbar erscheint und alle bereits frustriert sind, dann ist es gut, alle Betroffenen an einen Tisch holen. Mache sie zu Beteiligten, in dem du reihum die Frage beantworten lässt: „Was ist mein persönlicher Anteil an der Situation? Was trage ich dazu bei, dass das Thema nicht gelöst werden kann?“ Und du wirst sehen, welchen Unterschied es macht, und wie rasch ein Problem konstruktiv angegangen werden kann, wenn jeder zuerst mal ausgesprochenerweise vor der eigenen Türe kehren muss – auch der Chef – , statt sich gefühlt nur um den Kehricht der anderen zu kümmern.
Wie sagte Goethe schon vor langer Zeit:
„Jeder kehre vor seiner eigenen Türe und die Welt ist sauber.“
Okt 8, 2019
Hast du gerade viel zu tun? Hast du das Sommerloch in diesem Jahr gut genutzt?
Welches Sommerloch eigentlich? Ich suche es jedes Jahr vergeblich und habe es noch in keinem Jahr gefunden. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich gerne all jene Themen und Dinge in den Sommer verlege, für die ich mir während des restlichen Jahres zu wenig Zeit nehme. Und dabei ertappe ich mich immer wieder, dass es manchmal gar nicht so einfach ist, zwischen den wichtigen und den dringenden Dingen zu unterscheiden…
Der Sommer ist für dieses Jahr wohl auch temperaturtechnisch endgültig vorbei und eigentlich wäre ich durchaus bereit für ein „Sommerloch“ bei all den Dingen, die es zu erledigen gilt. Ist aber keines in Sicht – weil es ja auch nicht mehr Sommer ist. Also schaffe ich Abhilfe und widme mich der Priorisierung – und hole mir einen Motivationsschub.
Wichtig und dringend.
Es gibt Aufgaben, die dringend UND wichtig sind. Das sind all jene Dinge, die Potenzial haben, Stress zu erzeugen. Grund dafür kann sein, dass jemand anderer etwas braucht oder man etwas beitragen soll, damit jemand anderer an einer bestimmten Aufgabe weiterarbeiten kann. Meist sind das auch Dinge, die mit Zeitdruck verbunden sind.
Erfolgsgefühl.
Dann gibt es all jene Dinge, die dringend, aber nicht so wichtig sind. Idealerweise kann man diese an andere delegieren. Bei mir erlebe ich, dass dies oft Aufgaben sind, bei deren Erledigung ich weniger Freude empfinde. Da ist es z.B. gut, wenn ich sie an jemand anderen weitergeben kann, dem sie vielleicht mehr Freude macht, als mir. Bei unseren Kunden beobachte ich immer wieder, dass Menschen Aufgaben nicht delegieren, weil sie meinen, die Aufgabe wäre für andere nicht zumutbar. Oftmals ist aber genau anderes der Fall: eine delegierte Aufgabe kann viel an Motivation erzeugen, an Lernerfahrung und damit auch an Erfolgsgefühl. Wie wäre es, einfach darüber zu reden und zu fragen, wer denn Interesse hätte, eine Aufgabe zu übernehmen – auch wenn es für einen selbst eine Unliebsame darstellt? In meiner Corporate-Vergangenheit war ich oft überrascht, wer sich dann für verschiedene Aufgaben meldete, denn oft hatte ich selbst nie gedacht, dass genau diese Personen an der spezifischen Sache Interesse hätten.
Alles, was wichtig, aber nicht dringend ist, schieben wir oft vor uns her. Denn keiner fragt in der Regel danach und es gibt auch keinen Zeitdruck dahinter. Diese Aufgaben reihen sich dann irgendwann mit fortschreitender Zeit in die „dringend UND wichtig“-Kategorie, wenn sie nicht erledigt werden… Und damit reihen sie sich automatisch in der Prioritätenliste nach vorne.
Motivationsschub.
Und schließlich gibt es jene Dinge, die weder wichtig noch dringend sind. Viele Lehrbücher empfehlen, solche Aufgaben hintenanzustellen. Was mich betrifft, sind das allerdings sehr oft genau die Dinge, die mir Spaß machen. Diese sollten also keine Priorität haben? Auch bei Mitarbeitenden habe ich das in der Vergangenheit erlebt: Aufgaben, bei denen es etwas Neues zu entwickeln gilt, etwas neu zu ordnen oder zu konzipieren ist, haben oft motivierenden Charakter. Ohne diese Aufgaben könnte man wahrscheinlich gut auskommen, wenn alles so bleiben soll, wie es ist. Und genau deshalb darf man ihren Wert nicht unterschätzen. Genau in diesen Aufgaben steckt die Innovationsfähigkeit von Unternehmen, die Kreativität und die Motivation. Denn es gibt keinerlei Druck. Hier darf etwas entstehen, hat etwas Zeit und Raum. Kreativität und Innovation kann man nicht erzwingen. Denn je mehr Druck da ist, desto weniger kann entstehen. Insofern ist es wichtig, solche To Dos nicht vom Radar zu verlieren, sondern ihnen dieselbe Aufmerksamkeit zu geben, wie den anderen Themen, die uns und auch anderen oftmals dringender und wichtiger erscheinen. Denn sie haben großes Potenzial für einen Motivationsschub.
Und was das Sommerloch betrifft, so kann ich euch nur empfehlen, euch auch im Herbst mal ein „Sommerloch“ zu gönnen, mit druckfreier Zeit zum Durchhängen, für neue Ideen. Motivationsschub garantiert.
Und sollte es sich jetzt gerade nicht ausgehen: der nächste Sommer kommt bestimmt. ;-)
Mai 18, 2019
Die Redewendung „jemandem den Schwarzen Peter zuschieben“ [1] bedeutet bekanntermaßen, eine Schuld, Unannehmlichkeiten oder ein unerwünschtes Thema zu übertragen oder gar abzuwälzen. Diese Redewendung lässt aber auch den Eindruck zu, dass wir möglicherweise keine Wahl haben, wenn wir Schuld für etwas zugesprochen bekommen.
Erst kürzlich haben wir in einem Unternehmen erlebt, dass für einen internen Prozess, der nicht eingehalten wurde, die Schuldigen, die „schwarzen Schafe“ dafür gesucht wurden. Also jene, die sich Freiheiten herausnehmen würden, die andere nicht hätten.
Was macht Schuld mit uns und was kann sich ändern, wenn wir mit ihr bewusster umgehen?
Schuld und Handlungsmöglichkeiten.
Wenn wir vom Begriff der Schuld sprechen, dann kommen wir automatisch sofort zur Freiheit des Handelns. Denn Schuld setzt voraus, dass wir Freiheit in unseren Handlungsmöglichkeiten empfinden: ob wir sie uns zuschieben lassen und nehmen, oder nicht.
Wie mit Schuld umgegangen wird – was eine Holschuld und was eine Bringschuld darstellen kann – ist auch kulturell sehr verschieden. Während wir in Europa stark davon geprägt sind, dass der Staat vieles für die Allgemeinheit regelt und der Bürger sich nicht in der Verantwortung sieht, dem Staat/ der Allgemeinheit etwas zurückzugeben, sieht das zum Beispiel in den USA anders aus. In Amerika geht das Individuum davon aus, dass es sich um sich selbst kümmern muss bzw. dass Unternehmer*innen beispielsweise viel häufiger Stiftungen gründen um der Allgemeinheit etwas zurückzugeben, als das in Europa der Fall ist. Hierzulande haben Stiftungen vor allem den Nutzen, ein steuerschonendes Finanzinstrument zu sein.
Moral?
Im Deutschen haben wir nur wenige Begrifflichkeiten für „Schuld“. Während es zum Beispiel im Englischen oder auch Französischen die Unterscheidung zwischen debt und guilt gibt, machen wir begrifflich im Deutschen keinen Unterschied. Der Begriff ist in der deutschen Sprache auch um einiges moralischer aufgeladen, als in anderen Sprachen.
Während es Systeme wie das Bankwesen gibt, die auf dem Konzept materieller Schuld aufgebaut sind, gibt es auch noch die gefühlte Schuld, die einen innerlichen, sehr persönlichen Prozess darstellt. Dieser ist von außen nicht beeinflussbar. Denn ob und wie sehr sich jemand schuldig fühlt, hat viel mit dem eigenen Weltbild und den eigenen Glaubenssätzen zu tun. Auch die Frage, wie lange wir im Gefühl „schuld zu sein“ verhaftet bleiben, bestimmt, wie frei wir uns im Umgang mit Schuld fühlen und welche Handlungsmöglichkeit wir wahrnehmen.
Durch Schuld entsteht eine Disbalance. Sich zu ent-schuldigen hat dabei die Funktion, einen sozialen Ausgleich zu schaffen: es gab eine Friktion und durch ein Eingeständnis passiert ein Ausgleich.
Sündenbock.
Vor allem aus der Religionsgeschichte ist der Begriff der Schuld stark negativ aufgeladen. Es wird einfacher, wenn wir Schuld durch Verantwortung ersetzen: denn es macht einen Unterschied, ob wir fragen, wer an einer Sache schuld ist oder wer für eine Sache verantwortlich ist.
Die jüngste Datenaffäre um Facebook ist ein schönes Beispiel für die Art und Weise, wie wir als Gesellschaft mit Schuld oder Verantwortung umgehen. Wieviel leichter ist es oft, dem vermeintlich (!) Offensichtlichem den Schwarzen Peter zu zuschieben und nicht dahinter zuschauen, was vielleicht das Thema ist? Wenn wir bereit sind auch andere Sichtweisen einzunehmen, relativiert das oftmals die eigentliche Schuldfrage (siehe auch diesen Artikel hier.)
Was können wir also tun um achtsamer mit dem Schuldbegriff umzugehen? Wir können uns selbst beobachten, welchen Stellenwert wir der Schuld geben. Durch mehr Bewusstheit darüber können wir unseren Umgang damit verändern. Dabei können folgende Fragen hilfreich sein:
- Wem gebe ich die Schuld und wofür? Und wie spreche ich es an?
- Was würde sich verändern, wenn ich die Sache aus dem Blickwinkel des Anderen und aus seiner Verantwortung heraus betrachte?
- Ist es mir eine Genugtuung, einen Schuldigen zu finden?
- Nehme ich leicht Schuld auf mich und fühle ich mich oft als Sündenbock?
- Wie leicht fällt es mir, mich aufrichtig zu ent-schuldigen und einen Fehler einzugestehen?
Und für den Schwarzen Peter bedeutet das: wir haben immer die Freiheit, zu entscheiden ob wir ihn uns zuschieben lassen und nehmen, oder nicht. Oder wofür wir ihn – manchmal vielleicht auch leichtfertig – anderen umhängen.
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[1] Das Spiel „Der Schwarze Peter“ geht wahrscheinlich auf den deutschen Räuber Hannes Brückler, genannt Schinderhannes, zurück, der das Spiel während eines Gefängnisaufenthalts um 1811 erfand. Der Name bezieht sich wahrscheinlich auf seinen Komplizen Johann Peter Petri zurück, der unter dem Namen „Schwarzer Peter“ bekannt war. (Quelle Wikipedia)
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Mrz 9, 2019
Kürzlich war ich wieder einige Tage bei einem produzierenden österreichischen Unternehmen. Das Ziel der neuen Geschäftsführung dort ist es, die Produktivität zu steigern. Das, was mir als erstes auffiel waren die geschlossenen Türen im ganzen Unternehmen. Die Gänge waren leer und was sich hinter den Bürotüren abspielte war ruhig und nicht erkennbar. Selten sah man die eine oder andere Person zwischen zwei Zimmern hin und her gehen, oder auf dem Weg zum Kaffeebereich. Aber niemand hielt sich am Gang auf, selbst in der Kaffee-Ecke waren nur äußerst selten Leute zu finden. Schon gar nicht in Grüppchen zu gegenseitigem Austausch und Begegnung.
Ich war überrascht, denn so extrem hatte ich es noch nicht erlebt. Solche Entwicklungen der Unternehmenskultur sind immer auch Zeichen der Führung und – nach Gesprächen mit dem Management-Team – waren die letzten Jahre geprägt von Aussagen und Sichtweisen wie „wenn ich nicht an meinem Arbeitsplatz bin, dann arbeite ich nicht.“ Das soll sich nun im Unternehmen ändern, aber so einfach ist das auch wieder nicht, denn eine solche Führungskultur lässt sich nicht von heute auf morgen „ausradieren“ wie einen schlecht gesetzten Strich in einer Zeichnung. Dazu braucht es Zeit und Raum, damit Begegnung stattfinden kann.
Raum für Begegnung?
In vielen Organisationen stellt man sich bei allen Themenstellungen die Frage: „was kommt dabei heraus“? Ist es messbar und kann es in einem konkreten Beitrag für das Unternehmen festgemacht werden? Bei einer solchen Betrachtung schneidet der Aspekt Begegnung wohl oberflächlich gesehen schlecht ab, denn Begegnung ist de facto nicht direkt messbar. Zwanglose stattfindende Begegnung wurde oft zugunsten von (vermeintlicher) Effizienz wegrationalisiert. Und dennoch trägt sie einen wichtigen Beitrag zur Produktivität bei. Denn bei informellen Gesprächen findet ein Informationsaustausch statt, Informationen am „schnellen Dienstweg“ werden weitergegeben, die das Schreiben eines e-Mails ersetzen. Vertrauen entsteht, das ein Arbeiten ohne dauernde Absicherung benötigt. In der modernen Bürogestaltung geht der Trend genau dorthin, nämlich offenere Büros zu haben und viele verschiedene kleine Inseln um sich zusammenzusetzen und treffen zu können.
Zeit für Begegnung?
Ein zweiter Faktor ist wesentlich für eine gelingende Begegnung und das ist die Zeitqualität: dürfen wir uns für Treffen und Gespräche offiziell Zeit nehmen? Begegnung braucht das Gefühl der Sicherheit, damit sie stattfinden kann, dass Gefühl, dass wir uns Zeit nehmen dürfen miteinander zu sprechen und in Austausch zu gehen. Dort, wo wir uns dbzgl. unsicher fühlen vermeiden wir sie und ziehen uns zurück. Im Business-Kontext gibt es dafür nach wie vor oft zu wenig Zeit – abseits von Meetings. Und auch die Unternehmensführung versucht vielerorts Begegnung zu fördern. Allerdings muss sie dazu selbst sichtbar und greifbar werden – sich Zeit zu nehmen auf die Mitarbeiter zu zugehen. Denn Begegnung findet immer statt – und sei es nur durch kleine Zeichen in der Körpersprache – oder eben durch völlige Abwesenheit.
Entwicklung durch Begegnung.
Schon bei kleinen Kindern sieht man, wie wichtig Bezugspersonen sind, um sich zu entwickeln. Und auch später, im Erwachsenenleben hört diese Entwicklung nicht auf, sie verändert sich nur, wird möglicherweise bewusster. Edmund Husserl, deutscher Philosoph und Phänomenologe meint, wir brauchen den anderen um ein Selbstverständnis bekommen zu können. Die andere Person löst also etwas aus in uns, mit dem wir sonst vielleicht nicht in Berührung gekommen wären. Sie bietet uns Anstoß nachzudenken, zu reflektieren, unser Verhalten zu beobachten, uns weiterzuentwickeln, reifer und bewusster zu werden.
Verschiedene neue Organisationsformen und Arbeitsmodelle nutzen Zeit und Raum für (Selbst-)Reflexion als einen wesentlichen Eckpfeiler ihrer Unternehmenskultur: die Begegnung mit sich selbst und mit anderen. Um Reflexion in der Gruppe möglich zu machen, braucht es Vertrauen und das entsteht auch nicht von heute auf morgen, sondern baucht Zeit und Raum. Bewusstheit über Begegnungen erfolgt erst über die Reflexion: wie war mein Umgang mit anderen? Was war mein Beitrag zu einem Gespräch? Wie reagieren die anderen auf mich? Auf welche Weise verhalte ich mich mit verschiedenen Menschen unterschiedlich?
Produktivität folgt Erkenntnis folgt Begegnung.
Es muss aber auch nicht eine andere Organisationsform sein, die Austausch fördert und möglich macht. In der eingangs beschriebenen Organisation sucht der neue Firmenchef regelmäßig Gespräche mit den MitarbeiterInnen und zwar nicht nur auf Führungsebene. Das Feedback der Menschen im Unternehmen zeigt, dass sie nun endlich das Gefühl haben, gehört zu werden, ernst genommen zu werden und, dass sich etwas bewegt. In einer Befragung verschiedener MitarbeiterInnen kam heraus, dass die Motivation und Produktivität in den letzten Monaten messbar gestiegen ist und dass sei vor allem dem Interesse der Geschäftsführung an den MitarbeiterInnen geschuldet. Und auch für den Firmenchef brachten diese Gespräche viele Erkenntnisse und ein tiefes Wissen und Verständnis für die Organisation. Erkenntnisse, die wesentlich sind, um das Unternehmen durch den aktuellen Wachstums- und Veränderungsprozess manövrieren zu können und die Produktivität im Schulterschluss mit den MitarbeiterInnen zu steigern.
Karin Weigl
Fotocredit: fotolia.com #91846153 Zarya Maxim