Herbert ist in einem Unternehmen für das Controlling verantwortlich. Und Herbert ärgert sich regelmäßig darüber, dass die Projektmanager ihre Zeiten nicht erfassen. Also schreibt er Mails und ruft an, versucht sie, vor ihren Schreibtischen abzupassen. Dabei gehen viel Zeit und Energie verloren und andere Arbeiten bleiben auf der Strecke. Er hat ein Excel-Sheet programmiert, das alle Stückchen spielt, um Projekte nach allen möglichen Varianten auszuwerten und zu bewerten. Aber ohne die aktuellen und korrekten Daten gibt es keine valide Sicht auf die Projektkosten. Die Gründe seiner Kollegen interessieren ihn einen feuchten Kehricht, wie er meint, er kenne sie auch nicht genau. Er habe schließlich eine Aufgabe im Auftrag der Geschäftsleitung zu erfüllen, deren Sinnhaftigkeit augenscheinlich sei.
Der Karren steckt im Dreck…
Inge ist Projektmanagerin und sehr viel unterwegs. Meist ist sie 4 Tage die Woche vor Ort bei ihren Kundenfirmen und unterstützt diese dabei, ihre Prozesse schneller und effizienter zu gestalten. Sie gibt alles für die Firma und vergisst doch regelmäßig darauf, ihre Projektarbeitszeiten und Reisezeiten einzutragen. Vor allem deshalb, weil das Excel-Sheet in das sie die Daten eintragen sollte, einfach zu kompliziert ist und Zeit erfordert, die sie gefühlt nicht hat. Und sie ärgert sich regelmäßig über Herbert, der sie zu jedem Monatsletzten mit Anrufen und Mails regelrecht zubetoniert. Sein Excel interessiere sie einen feuchten Kehricht, hat sie letztens gesagt, denn es gäbe viel bessere Methoden, die Projektkosten zu erfassen, als seine selbstgestrickte, hoch komplexe Variante. Pattstellung also und der Karren steckt im Dreck.
Georg ist der Chef der Firma. Eine realistische Projektkalkulation ist schon lange ein großes Thema für ihn und ihm ist ein Dorn im Auge, dass das seit Jahren im Unternehmen nicht funktioniert. Gefühlte tausend Male hat er es schon beim einen oder anderen angesprochen. Gefühlte tausend Mal hat er versucht, Sanktionen zu setzen, die er per Rundmail kundtat. Ohne Verbesserung der Situation.
Miteinander reden statt übereinander.
Solche und ähnliche Situationen sind in Unternehmen keine Seltenheit. Es wird übereinander geredet, statt miteinander. Die Schuld wird hin und hergeschoben: der jeweils andere solle etwas anders machen, um eine Situation zu lösen.
Dabei hat jeder von uns einen Beitrag zu einer – oftmals auch verfahrenen – Situation. Und sei es schlichtweg, dass wir nichts machen, um sie zu verändern, dass wir etwas nicht aussprechen oder auf unserem Standpunkt beharren und damit alles blockieren. Dass wir anderen keine Chance geben, etwas zu klären, weil es für uns vermeintlich unwichtig ist, oder uns bei anderen über eine Person beklagen, statt diese direkt anzusprechen.
Vor der eigenen Türe wird oft viel zu wenig gekehrt.
Herbert, zum Beispiel, hat sich nie ehrlich für die wahren Gründe seiner KollegInnen interessiert und war auch nicht offen für alternative Lösungswege, weil er so viel Zeit und Energie in sein Excel gesteckt hatte. Inge, auf der anderen Seite, hat Herbert nie direkt gesagt, dass es an der Komplexität seines Excels lag, weshalb sie Monat für Monat kaum dazu überredet werden konnte, die Daten einzutragen. Und Georg hätte schon längst mal alle Betroffenen an einen Tisch bringen können, die Wichtigkeit für die Profitabilität des Unternehmens hervorstreichen und ein gemeinsames Verständnis für Prozess und Tool herstellen können, statt nur Mails zu schicken und die Leute einzeln darauf anzusprechen. Jeden also einbeziehen und seine oder ihre Gründe hören, warum das leidige Thema Zeiterfassung nicht gelöst werden könne.
Welchen Anteil habe ich daran, dass etwas so ist, wie es ist?
Wenn also wieder mal ein Thema unlösbar erscheint und alle bereits frustriert sind, dann ist es gut, alle Betroffenen an einen Tisch holen. Mache sie zu Beteiligten, in dem du reihum die Frage beantworten lässt: „Was ist mein persönlicher Anteil an der Situation? Was trage ich dazu bei, dass das Thema nicht gelöst werden kann?“ Und du wirst sehen, welchen Unterschied es macht, und wie rasch ein Problem konstruktiv angegangen werden kann, wenn jeder zuerst mal ausgesprochenerweise vor der eigenen Türe kehren muss – auch der Chef – , statt sich gefühlt nur um den Kehricht der anderen zu kümmern.
Wie sagte Goethe schon vor langer Zeit:
„Jeder kehre vor seiner eigenen Türe und die Welt ist sauber.“